Freitag, 14. Dezember 2012

Mein Hund hat Angst vor Silvester. Was tun?

Was für uns ein freudiges Ereignis ist, wird für viele Hund zu ihrer schlimmsten Zeit des Jahres. Manche reagieren einfach nur etwas unruhig aber andere sind in der Zeit gar nicht zu gebrauchen, sie gehen ungern raus, um ihre Geschäfte zu erledigen oder sie lösen sich gar nicht mehr und unterdrücken jeglichen Drang solange es irgendwie geht. Andere Hunde rennen bei jedem Knall in die hinterste Ecke der Wohnung und zittern am ganzen Körper.

Die große Frage ist was kann man tun?

Zum einen ist das Problem, dass wir uns zwar jedes Jahr damit beschäftigen, wenn wir einen Hund haben der diesbezüglich sensibel reagiert aber nach Silvester ist alles wieder vorbei, der Hund hat es hinter sich gebracht und alle sind wieder entspannt und natürlich gerät dann die gute Absicht in den Hintergrund, dass man an dem Problem arbeiten wollte.
Viele Maßnahmen die dem Hund helfen besser klar zu kommen brauchen jedoch ein wenig Trainingszeit, weshalb die Zeit kurz vor Silvester oft nicht ausreicht. Von daher: Die Angst des Hundes muss ernst genommen werden. Selbst wenn es für dieses Jahr zu spät ist, das nächste Jahr kommt bestimmt und bis dahin kann man fleißig trainieren.


Das Gerücht: Dadurch das ich meinen Hund streichele, ihm Aufmerksamkeit gebe oder ihm einen Kauartikel gebe unterstütze ich seine Angst.

Eigentlich ist es fatal , das sich dieses Gerücht nach wie vor so hartnäckig hält und das viele Hundebesitzer so verunsichert sind, dass sie ihrem Hund den so wichtigen Trost verweigern, weil sie denken, sie würden die Angst so verstärken.

Das Wichtigste was man hierzu wissen muss ist, dass es nicht möglich ist eine negative Emotion mit einer Gegenemotion zu verstärken, d.h. um Angst zu verstärken musste ich dem Hund negative Emotionen vermitteln (ihn z.B. von mir wegschicken, wenn er zu mir möchte), um die Angst zu verstärken.
Ich kann jedoch ein Angstgefühl nicht mit positiver Zuwendung verstärken.

 Man darf sich selber aber nicht als Maßstab nehmen. Entscheidend ist nur was der Hund als positive Zuwendung empfindet. Das kann von Hund zu Hund stark variieren. Hier ist es hilfreich einfach den Hund entscheiden zu lassen.

Beispiele:
  • In die Nähe des Hundes setzen und abwarten, ob er sich zu einem legt, weil er die Nähe seines Menschen als Sicherheit empfindet.
  • Den Hund langsam ausstreichen (nie hektisch oder unruhig). Hier ist es auch wichtig zu schauen, welches streicheln empfindet mein Hund als angenehm. Oft streicheln wir unsere Hund mit Begeisterung über den Kopf, obwohl die Hunde das gar nicht mögen und lieber etwas seitlich am Hals, vor der Brust, am Po :) gestreichelt werden würden. Man sollte den Hund aktiv beobachten, wann drückt er sich gegen die Hand, weil es ihm gefällt, wann zeigt er Beschwichtigungssignale (über das Maul lecken, gähnen, wegducken) und dann wählt man das streicheln, was dem Hund gefällt.
  • Dem Hund einen Kauartikel geben, um zu schauen, ob die Beschäftigung damit ihm hilft sich abzulenken. Hier ist es jedoch wichtig, dass man den Kauartikel schon gibt bevor die Knallerei anfängt. Es bieten sich hier besonders langlebige Kauartikel an, wie Rinderkopfhaut oder auch ein gefüllter Kong.
  • Die Kellertür öffnen und schauen, ob er lieber dorthin möchte, weil dort die Geräusche nicht so extrem sind.
  • Einen Karton der der Hundegröße entspricht mit einer Decke abdecken und schauen, ob der Hund ihn als Rückzugsort annimmt.

Was man vermeiden sollte, weil es von den meisten Hunden als bedrohlich und/oder Angst verstärkend empfunden wird:
  •  Hektisches streicheln: Vermittelt dem Hund, dass man selber unruhig oder gestresst ist und macht ihn erst richtig nervös.
  • Umarmen: Wird von den meisten Hunden auch ohne Stress- und Angstsituationen als unangenehm empfunden (sie lernen damit umzugehen, weil sie lernen, dass der Mensch nunmal Körpersprachlich behindert ist aber die meisten mögen es nicht). Er kann kein Fluchtverhalten ausüben.
  • Auf den Schoss setzen oder herumtragen: Kann als bedrohlich empfunden werden, weil über den Hund bestimmt wird und es fehlt ihm die Möglichkeit seinem Fluchtverhalten nachzukommen.
  • Über den Hund beugen: Wirkt eher bedrohlich als entspannend auf den Hund.


Schnelle Hilfen, wenn keine Zeit mehr bleibt lange zu trainieren: 

Schon bevor die große Knallerei losgeht hört man ja auch in den Tagen davor immer mal ein Knallen. Diese Knaller nutzen wir für das Training. Bei jedem Knall bekommt der Hund mehrere Leckerchen auf den Boden geworfen die er sich aufsammeln kann. Alternativ kann man auch mit dem Hund ein Zerrspiel beginnen oder mit ihm raufen. Wir wollen damit erreichen, dass der Hund eine positive Verknüpfung mit der Knallerei erstellt. Knall = etwas positives passiert (Leckerchen, Spiel, etc.) = Knall ist toll.

Eine weitere Möglichkeit ist es dem Hund ein T-Shirt von sich selber anzuziehen und ihm dazu Bachblüten zu geben. Hier empfehlen sich die Bachblüten für Notfälle = Rescue Tropfen, welche in jeder Apotheke erhältlich sein sollten. Das T-Shirt, sollte schon an Tagen die ruhig sind angezogen werden, damit der Hund es schon mit positiver Ruhe verknüpft hat. Ebenso sollte mit der Gabe der Rescue-Tropfen schon 1-2 Tage vorher begonnen werden. Aufgrund der besonderen Situation würde ich an den 2 Tagen vorher wie folgt dosieren: Alle 3 Stunden 4 Tropfen. Eine Überdosierung ist mit Bachblüten faktisch nicht möglich, da der Körper nur das rauszieht, was er braucht, um wieder ins Gleichgewicht zu kommen. Wichtig ist bei der Gabe, dass diese auch stießfrei abläuft. Wenn der Hund eine Gabe direkt in die Leftzen nicht mag, dann versüßen Sie ihm das ganze mit Leberwurst.
Es gibt auch sogenannte Globulis (Zuckerkügelchen) aber ich habe die Erfahrung gemacht, dass die Darreichungsform über Tropfen die effektivere ist. Darüber streiten sich aber die Geister, man kann selbstverständlich auch Globulis kaufen.

Die schlimmste Zeit ist meistens die Stunde ab Mitternacht, wo alle ihre Böller rausholen und das Gehalt eines Monats in die Lüfte schießen. Fahren sie 10 Minuten bevor das Geknalle beginnt auf die Autobahn und fahren sie solange spazieren bis das schlimmste vorbei ist.

Suchen Sie sich den Raum in der Wohnung/im Haus, wo es am ruhigsten ist (alternativ der Keller) und ziehen Sie sich mit Ihrem Hund dahin zurück. Machen sie, sofern vorhanden, die Jalousien runter, um die Knallgeräusche noch zusätzlich zu dämpfen.

Auch ein möglicher Weg ist der Gang zum Tierarzt. Tierärzte haben die Möglichkeit  medikamentös einzugreifen. Dies wäre nicht meine erste Wahl aber bevor ein Hund vor Stress zitternd und panisch wird, würde ich das durchaus in Erwägung ziehen. 

Alprazolam: Wird durch den Tierarzt verschrieben (rezeptpflichtig) und man sollte es bei schwereren Fällen in Betracht ziehen. Wichtig ist, dass die Dosierung vernünftig angepaßt wird und am Ende wieder ausgeschlichen.


Auf gar keinen Fall sollte man Sedalin-Gel oder Medikamente mit dem Wirkstoff Acepromazin verwenden, da diese lediglich die Motorik des Hundes flachlegen aber der Hund ist bei vollem Bewußtsein und bekommt alles voll mit. Dies kann zu einer katastrophalen Angst führen, weil der Hund faktisch eingeschlossen in seinem Körper und absolut hilflos ist.


Weitere Möglichkeiten positiv auf den Hund einzuwirken, welche sich aber bei mir im Praxistest als nicht überzeugend in der Wirkung herausgestellt haben aber jeder Hund ist anders und reagiert anders, deshalb ist das keine allgemeingültige Aussage:

 Zylkene: Hierbei handelt es sich um ein Nahrungsergänzungsmittel. Es basiert auf der Aufspaltung des Milchsäureeiweißes Casein, dadurch entsteht Alpha-Casozepin, welches sehr positive Wirkungen auf Stressoren, wie Gewitter, Silvester, Umzug, Lärm, Aufenthalt in Tierpensionen, etc., haben soll. 

 DAP: Die säugende Mutterhündin produziert in den Talkdrüsen Beruhigungspheromone. Diese Pheromone geben den Welpen Sicherheit in neuen Situationen und nehmen ihnen den Stress. D.A.P. ahmt nun diese Eigenschaft nach und soll deren besänftigenden Eigenschaften besitzen. Es gibt DAP als Halsband, als Stecker für die Steckdose und als Zerstäuber. Der Zerstäuber soll noch am Besten wirken.


Langfristige Möglichkeiten mit dem Hund zu trainieren:

Thundershirt: Grob gesagt handelt es sich hierbei um eine Art "Hundemantel" aus Strechmaterial. Dieses Shirt soll eng am Hund sitzen und simuliert so eine "ständige Umarmung". Hierdurch wird Oxytocin ausgeschüttet, was der Gegenspieler ist zum Stresshormon Cortisol. 
Wichtig ist, dass das Thundershirt niemals direkt in stressauslösenden Situationen angezogen werden darf, wenn es vorher nicht positiv belegt ist. D.h. der Hund muss das Shirt vorher schon in für ihn sehr schönen und entspannten Situationen tragen, damit wir nicht genau das Gegenteil von dem erreichen, was wir erreichen wollen. 

Konditionierte Entspannung: Kuscheln Sie mit Ihrem Hund, streicheln sie ihn ruhig und wenn er tiefenentspannt ist, dann sagen Sie beiläufig ein Wort Ihrer Wahl (z.B. ruhig, cool, easy, etc.). Das Wort sagen Sie in einem normalen Tonfall, nicht extra leise oder extra laut. Der Hund lernt bei entsprechend vielen Wiederholungen das Wort mit seiner Entspannung in dem Moment zu verknüpfen, wir erhalten die "konditionierte Entspannung". Auch hier haben wir, wie bei dem Thundershirt, wieder die Ausschüttung des Hormons Oxytocin. Wichtig ist, dass der Hund nicht schlafen muss, er sollte einfach nur entspannt sein. Das Thema für sich ist noch deutlich komplexer und wir können z.B. auch gut mit Düften arbeiten. 

Auch die konditionierte Entspannung sorgt für keine Wunder aber sie hilft dem Hund und ich halte eine Kombination aus Thundershirt + konditionierter Entspannung + Schönfüttern der Situation (wie oben beschrieben) für die effektivste Form dem Hund über diese Zeit zu helfen.

Abschließend noch zwei wichtige Punkte:

Lassen Sie Ihren Hund nicht alleine, um selber feiern zu gehen. Bleiben Sie bei Ihrem Hund!

Führen Sie Ihren Hund während der Silvesterzeit, nicht nur an Silvester selber, konsequent an der Leine. Jedes Jahr laufen unzählige Hunde davon, weil sie sich vor einem Knall erschreckt haben und das läßt sich so leicht vermeiden. 

In dem Sinne wünsche ich allen, dass sie stressfrei für Hund und Mensch ins Neue Jahr kommen!

Wenn noch Fragen sind, schreiben Sie einfach oder rufen Sie an!


Team auf 6 Pfoten
Sabine Ruhrmann
Münchhausenweg 16
22453 Hamburg
Tel: (040) 180 84 940
Mobil: 0176-61376437
Facebook: http://www.facebook.com/pages/Hundeschule-Hamburg-Team-auf-6-Pfoten/121958021221074 

1 Kommentar:

  1. Schöner Beitrag zu diesem Thema!
    Ich habe selbst zwei Hund und kenne das Problem nur zu gut. Nicht nur an Silvester kann es zu solchen Notsituationen kommen. Auch der Besuch beim Tierarzt oder ein Trauma durch ein schlimmes Vorkommnis, kann eine solche Angst beim Hund erwecken. Bachblüten sind sehr vielseitig und können aufgrund ihrer unbedenklichen Basis eingesetzt werden. Ich schreibe selbst in einem Blog über Bachblüten für Mensch und Tier: https://www.bach-blueten-portal.de/bachblueten-ratgeber/. Ich würde ich freuen, wenn du da mal reinschaust und mir bei Gelegenheit ein Feedback gibst :)
    Liebe Grüße
    Henriette Starke

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